Haul
Schlechte Neuigkeiten
Botschafterin Woren Garek in der Rabit Botschaft auf Haul Prime prüfte ein letztes Mal den Sitz ihrer Uniform im Spiegel. Sie freute sich auf das Treffen mit Kanzler Hauror. In den letzten Tagen hatte sie viele Stunden mit Raor trainiert um ihr Haul zu verbessern. Es würde ihre erste längere Ansprache in der Sprache ihrer Gastgeber sein aber sie war zuversichtlich, dass sie ihre Sache gut machen würde. Als jemand vom Stab die Tür aufriss, liess sie ein Ohr hängen. Ihre persönliche Assistentin Maike Limen war schon dabei eine scharfe Bemerkung zu machen als sie den Gesichtsausdruck sah.
«Anschlag auf den Wettkampf!» platzte er heraus.
«Liebe Teer, nein!» stöhnte Woren. «Was ist passiert?»
«Es gibt noch keine Details. Anscheinend wurde die HARIE angegriffen und hat schwere Schäden davongetragen.»
«Oh nein!» rief Maike aus. «General Rowarl?»
«Wird vermisst.»
«Verdammt sollen sie sein!» fluchte Woren. «Wie konnte das passieren? Nach all den Anstrengungen, die wir unternommen haben!»
«Gegen Dummheit gibt's keine Pille.» Maike schüttelte ihren Kopf. «Wir haben befürchtet, dass so etwas passieren könnte.»
Woren rieb sich die Stirn. «Ich muss das dem Kanzler erklären. Holt die Präsidentin oder Ministerin Dreick oder sonst jemand von der Regierung ans Telefon. Werft sie aus dem Bett, wenn es sein muss!»
Ein weiterer Rabit erschien an der Tür. «Ma'am? Kanzler Hauror wünscht dich zu sprechen.»
«Natürlich, ich komme,» nickte sie, kein bisschen überrascht von der schnellen Reaktion der Haul. Sie entschied sich den Anruf gleich hier entgegenzunehmen. Den wichtigsten aller Haul warten zu lassen würde das falsche Signal senden.
Als sein Gesicht auf dem Bildschirm erschien, lächelte sie. Haul würden für Rabit immer wie Bestien aus einem Alptraum aussehen, aber sie war stolz tiefer sehen zu können. Der Kontakt mit den Haul war vermutlich das Beste, was ihrer Rasse jemals passiert war. Sie waren bedacht, vorsichtig und weise. Alles, was sich eine junge Rasse, die wie die Rabit gerade erst begonnen hatte das All zu erforschen, sich nur wünschen konnte. 'Aber es gibt immer ein paar Idioten. So viel Angst vor der Zukunft, dass sie sich am liebsten in der Vergangenheit verkriechen würden.' Sie schüttelte die Gedanken ab und konzentrierte sich auf ihre Aufgabe.
«Guten Morgen, Botschafterin Garek.» Wie alle Haul lispelte der Haul stark und das K in ihrem Familiennamen bereitete ihm grosse Mühe. Dennoch gab er sich viel Mühe den Titel und Namen korrekt auszusprechen. Woren nahm es als gutes Zeichen. Auch seine Ohren waren senkrecht aufgestellt und zeigten sein entspanntes, höfliches Interesse.
«Mein Leben für das Haus,» antwortete sie mit der traditionellen Formel der Haul. «Ich habe soeben von einem Vorfall bei den Wettkämpfen erfahren. Wissen Sie Details?»
Seine Ohren zuckten vor Vergnügen, als sie ihm in seiner Sprache antwortete. «Mein Leben für das Haus,» wiederholte er. «Sie hatten Recht damit uns zu warnen jemand könnte die Wettkämpfe für einen Angriff benutzen, um die Fortschritte zu torpedieren, die wir in den letzten Monaten gemacht haben. Wir haben eines unserer Schiffe verloren, als ein Kampfjäger der Rabit in der Nähe eine erstaunlich starke Explosion verursacht hat.» Auf dem Bildschirm öffnete sich eine grafische Ansicht der Ereignisse.
Worens Mund blieb offen stehen als sie sah, dass das erwähnte "Schiff" tatsächlich ein Transporter der Haul war, ein 1.5km langer Gigant. Ihr Verstand wurde taub, als sie realisierte, dass es den Terroristen gelungen sein musste einen nuklearen Sprengsatz in die Wettkämpfe zu schmuggeln. «Kanzler, Sie haben mein Wort, dass wir unternehmen werden, was auch immer notwendig ist, um eine Wiederholung dieses Vorfalls zu verhindern. Ich werde mich sofort mit meiner Regierung in Verbindung setzen, um sie über diesen Vorfall zu informieren. So bald ich etwas erfahre, werde ich es Ihnen mitteilen.»
Hauror nickte. «Ich möchte vorschlagen die Wettkämpfe einzustellen bis die Sicherheit der Teilnehmer wieder garantiert werden kann.»
«Eine ausgezeichnete Idee,» stimmte Woren zu.
«Mein Leben für das Haus,» verabschiedete der Kanzler sich.
«Mein Leben für das Haus.» Nachdem sie die Worte wiederholt hatte, wurde die Verbindung getrennt. Woren lehnte sich einen Moment in ihrem Stuhl zurück und atmete tief durch. Sie wünschte sich, sie könnte angesichts dieser Katastrophe so ruhig belieben wie ein Haul. Die automatischen Fabriken der Haul würden in wenigen Tagen einen Ersatz produzieren und der Tod bedeutete den Haul wenig. Dennoch fühlte sie sich schrecklich schuldig. 'Ein Sonnensystem für ein Implantat,' dachte sie und liess wieder ein Ohr hängen, als ihr Wrib[1] zirpte.
Sie hielt es hoch, um die Nachricht zu lesen. Die Bewegung aktivierte den Bildschirm 'Hauror hat mir eine Nachricht geschickt?' Sie war verwirrt. 'Wenn er noch weitere Informationen gibt, warum benutzt er einen privaten Kanal statt den offiziellen?' Sie öffnete die Nachricht und fand: «Statt zu sagen "Sie haben mein Wort" sollten Sie sagen "seien Sie versichert."»
Woren musste lachen. «Höflich bis in die Haarspitzen.»
«Er hat das gut verkraftet, nicht?» sagte Maike.
«Er ist ein Haul.» Woren stand auf und ging zur Tür. «Wir sollten Teer jeden Tag auf Knien danken, dass wir sie getroffen haben.»
Ihr Wrib zirpte erneut. Dieses Mal war es ein Mitarbeiter ihres Stabs der sie wissen liess, dass man die Ministerin für Verteidigung, Dansy Dreick, erreicht hatte. Woren freute sich kein bisschen auf dieses Gespräch. Es war ihr völlig klar, dass Dansy einen anderen Standpunkt einnehmen musste als sie, immer auf der Suche nach einem geheimen Plan gegen ihre Rasse, sei es durch die Haul oder sonst wen, aber nachdem sie nun schon fast sechs Monate auf einem Planeten der Haul gelebt hatte, ging Woren das ständige Misstrauen auf die Nerven. Das Leben war so viel einfacher, wenn man einfach aussprechen konnte, was man dachte, ohne ständig nach einem Fallstrick zwischen den Worten suchen zu müssen.