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1. Krieg und Frieden I 2. Krieg und Frieden II 3. Krieg und Frieden III 4. Krieg und Frieden IV 5. Krieg und Frieden V Krieg und Frieden 1. Krieg und Frieden IDie beiden grossen Delegationen waren auf enormen Druck von aussen zusammengekommen. Nachdem die Völker, die sie repräsentierten, mehrere Jahre Krieg gegeneinander geführt hatten, bei dem es zu entsetzlichen Gräueltaten auf beiden Seiten gekommen war, waren die Fronten so verhärtet, dass niemand mehr wagte auf einen Erfolg der Verhandlungen zu hoffen. Die anderen Staaten hatten irgendwann die Geduld verloren. Selbst wenn sie an den Waffenlieferungen in die Krisenregion nicht schlecht verdienten, so hatte die öffentliche Meinung doch irgendwann dafür gesorgt, dass solche Geschäfte nur noch unter grösster Geheimhaltung stattfinden konnten. Kurz gesagt: Alle hatten die Schnauze gestrichen voll. Der Sinn dieses Krieges, war in den Hintergrund getreten. Bei den meisten Beteiligten war von Anfang an klar gewesen, dass ein eventueller Sieg gleichzeitig auch eine vernichtende Niederlage gewesen wäre. Trotzdem wurde gekämpft. Geschossen. Getötet. Gehasst. Alleine die Verhandlungen, wer an der Sitzung teilnehmen durfte und wer nicht, hatten Monate gedauert. Diplomaten von verschiedenen Ländern hatten all ihr Können aufgewendet, um dieses Treffen zu ermöglichen. Viel Blut war geflossen. Der Hass sass tief. Keiner, der am Tisch sass, der nicht Freunde, Geschwister, Eltern oder andere Verwandte an diesen Krieg verloren hatte. Doch die Fraktionen, die an einen Sieg glaubten, die nicht nachgeben wollten, für die eine Einigung mit dem Feind einer Niederlage gleichkam, waren immer noch stark. Lauthals hatten sie gegen diese Konferenz protestiert. Ihren grossen Einfluss eingesetzt, um auf die Teilnehmer einzuwirken. Personen aus den Delegationen entfernt, die ihnen nicht zuverlässig genug erschienen waren. Die vielleicht doch weich geworden wären und am Ende vielleicht gar Zugeständnisse gemacht hätten. "Ich begrüsse sie", sagte der Mann, der sich Philmann Dark nannte, "und heisse sie willkommen." Die Welt wagte es nicht mehr zu hoffen. Zu schlecht war die Ausgangssituation und das höchste, was man sich von dieser Konferenz erhoffte, war ein Erhalt des Status Quo. Aus dem Nichts war der Mann aufgetaucht. Wildeste Gerüchte machten die Runde. Dass er kein Mensch war, sondern ein Ausserirdischer. Der Messias, von Gott gesandt, um die Menschheit zur Erlösung zu führen. Dark hatte zu diesen Fragen stets nur gelächelt. Die verfeindeten Mächte hatten jeden anderen als Gastgeber des Treffens abgelehnt. Nur er, die noch nie eine politische Aussage gemacht hatte, war ihnen harmlos genug erschienen. Er hatte versprochen, sich aus den Verhandlungen selbst herauszuhalten. "Sie haben ihn zu einer Witzfigur gemacht!" hatte eine grosse Tageszeitung vorwurfsvoll berichtet, aber Dark hatte ohne zu Zögern zugesagt. Die Welt hoffte, dass das Treffen wenigstens das Ergebnis brachte, dass die Lage sich stabilisierte. Obwohl es wohl gar nicht mehr schlimmer kommen konnte. Millionen waren auf der Flucht, bereits geflohen oder tot. Verbissen wurde um jeden Meter zerbombter, toter Erde gerungen, als hinge noch etwas davon ab. "Leider kenne ich nur die wenigsten von Ihnen", bedauerte Dark, "und was ich von ihnen weiss, habe ich aus den Medien erfahren, die, wie wir alle wissen", er lächelte fein, "die Realität nicht immer in ihrer Vollständigkeit wiedergeben." Eine breite Zustimmung auf beiden Seiten antwortete ihm. Nur zu gut hatten sie alle erleben müssen, wie die Medien ihre gerechte Sache zerredet und ins falsche Licht gerückt hatten. Es gab gute Gründe, warum sie darauf bestanden hatten, dass keine Fernsehteams die Sitzung aufzeichnen würden. Dark würde nur am Ende ihre gemeinsame Erklärung vor laufenden Kameras verlesen. Sofern es denn eine geben würde. "Daher möchte ich jeden einzelnen von ihnen bitten, sich mir kurz selbst vorzustellen und einige Worte mit mir zu wechseln. Auf diese Weise werde ich besser in der Lage sein, auf ihre Bedürfnisse einzugehen." Er bat den Leiter der einen Delegation zu beginnen. Das führte zu Unmut auf der anderen Seite, worauf Dark sich entschuldigte. "Ich würde sie ja gerne bitten, sich gleichzeitig vorzustellen, aber leider bin ich nur ein Mensch", sagte er entschuldigend und ohne Spott. Der Leiter der ersten Delegation stellte sich wortreich vor und unterliess es auch nicht, auf seine grossen Verdienste in diesem Krieg hinzuweisen, was wiederum zu Protesten auf der Seite der anderen Delegation führte. "Und was wollt ihr?" Wie schon so oft zuvor, stellte der Leiter der ersten Delegation dar, wie wichtig und gerecht es doch war, die andere Seite zu bekämpfen. Als die andere Seite sich empörte, entschuldigte sich Dark: "Ich möchte sie um etwas Geduld mit mir bitten. Es ist sehr wichtig für mich, dass ich seinen Standpunkt verstehe." Sehr zufrieden mit sich selbst, lehnte sich der Leiter der ersten Delegation zurück. "Und warum wollt ihr das?" fragte Dark. "Es ist meine Pflicht als Patriot!" antwortete der Leiter sofort. "Könnte man auch sagen, dass es ihre Verantwortung gegenüber ihrem Land und ihrem Volk ist?" "Selbstverständlich! Das ist es ja gerade, was einen Patrioten ausmacht!" "Ich habe mich natürlich ein wenig im Voraus informiert", gab Dark zu. "Als sie ihr Amt als Politiker angetreten haben, habe sie auch einen Schwur geleistet, ihrem Land zu dienen und seine Interessen und die Interessen seiner Bewohner zu schützen, nicht wahr?" "So ist es! Und ich werde auf keinen Fall zulassen, dass ich diesen Schwur hier brechen muss!" "Ich danke ihnen vielmals", bedankte sich Dark. "Ich denke, dass ich ihren Standpunkt nun verstehe." Dark sprach auch mit dem Leiter der zweiten Delegation, der Mühe hatte, sich zu beherrschen, nach dem, was er sich gerade hatte anhören müssen. "Wenn sie sich nicht wohl fühlen, dann können wir eine Pause einlegen", bot Dark freundlich an. Aber diese Genugtuung wollte die andere Delegation der einen nicht bieten. Auch der Leiter der anderen Delegation wollte wohlverstanden wissen, dass er nur den Interessen seines Landes und seines Volkes dient und auf keinen Fall bereit war, diese zu verraten. Dark dankte auch ihm. Der Reihe nach lernte er auf diese Weise die Mitglieder beider Delegationen kennen. Alle stellten sich vor und schworen, dass sie nur das Beste für ihr Land und ihr Volk wünschten. Der letzte Teilnehmer war sehr nervös. Er war sehr kurzfristig in seine Delegation berufen worden und er war sich wohlbewusst, dass jeder Fehler, den er machte, ihn schnell vor ein Kriegsgericht bringen konnte. "Ich begrüsste sie", sagte Dark freundlich zu ihm. "Es ist eine grosse Ehre für mich, heute hier zu sein", antwortete der junge Mann nervös und nannte seinen Namen. "Was wollt ihr?" Obwohl er sich schon vorher Worte zurechtgelegt hatte, war alles weg. Sein Gehirn schien plötzlich, da sich die Aufmerksamkeit aller auf ihn gerichtet hatte, wie leergefegt. "Frieden", war alles, was ihm noch einfiel. 2. Krieg und Frieden IIEs klang so lächerlich. Nur ein Wort, wo die anderen sich doch so gewandt ausgedrückt hatten. Fast fühlte er schon die Kugeln des Erschiessungskommandos. Dark lächelte. "Ich möchte sie um etwas ungewöhnliches bitten", sagte er freundlich. "Natürlich", stimmte der junge Mann sofort zu und spürte, wie sich sofort noch mehr Empörung in seiner Delegation breitmachte. "Nehmt doch euren Stuhl und setzt euch hier neben mich." 'Was habe ich noch zu verlieren?' dachte junge Mann hoffnungslos. "Einen Moment, bitte", sagte er, nahm seinen schweren Stuhl und schleppte ihn zur Stirnseite, wo Dark sass. Unbehaglich setzte er sich. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet. Finster auf seiner Seite. Überrascht, neugierig, misstrauisch gegenüber. "Dieser Mann hier", sagte Dark freundlich, "repräsentiert eure beiden Länder, denn die Länder werden durch ihre Völker repräsentiert und eure Völker wollen Frieden." 3. Krieg und Frieden IIIEin riesiger Tumult brach los. Leute sprangen von ihren Sitzen auf, schrien und tobten, Verwünschungen und Drohungen wurden ausgesprochen und Forderungen wurden laut, das Treffen sofort zu beenden. "Ihre beiden Länder befinden sich im Krieg", schnitt Darks Stimme freundlich, aber über all dem Geschrei doch deutlich verständlich, durch die Luft. "Wenn sie nun gehen, dann bedeutet das, dass ihr Schwur ihrem Land zu dienen, ihnen nichts bedeutet. Dass der Wille ihres Volkes ihnen nichts bedeutet." "Ich glaube, das wäre in der aktuellen Situation gleichbedeutend mit Hochverrat." 4. Krieg und Frieden IV"Unser Volk wünscht keinen Frieden!" schrie jemand, "es wünscht den Sieg über unsere Feinde!" "Woher wissen sie das?" fragte Dark. "Der grösste Teil ihres Volkes lebt in Flüchtlingslagern irgendwo auf der Welt verstreut. Ich habe mich informiert; es hat mehrere Umfragen gegeben und in allen hat die Mehrheit ihrer Landsleute Frieden gewünscht." 5. Krieg und Frieden VDark stand auf und stellte sich hinter den jungen Mann, der dem ganzen Geschehen fassungslos gefolgt war. "Ich möchte nun von ihnen wissen, was ich sagen soll, wenn ich jetzt vor die Kameras trete." "Soll ich sagen, dass die Wünsche ihres Volkes ihnen egal sind oder werden sie zu ihren Worten stehen und diesem Mann hier dienen?" Copyright © 2001-2002 Aaron Digulla a.k.a. Philmann Dark. |